Aufregender Tag im HZP

Ein aufregender Sonntag im Herzogenriedpark

Ich wischte mir eine dicke Träne aus dem Gesicht. „Ich möchte aber ein Kind“, schrie ich. Es war gefühlt das hundertste Mal, dass mein Freund und ich darüber diskutierten, ob wir ein Kind bekommen sollten oder nicht. „Ich aber nicht“, entgegnete er. „Warum nicht, ich bin 38 Jahre, da wird es langsam Mal Zeit, dass wir in die Pötten kommen.“ „Ein Kind bringt nicht nur Freude, sondern auch viele schlaflose Nächte.“ „Die nehme ich gerne in Kauf“, sagte ich. „Außerdem kostet ein Kind sehr viel Geld.“ „Als ob man Geld mit einem Menschenleben aufwiegeln könnte.“ „Ich brauche außerdem viel Zeit für mich.“ „Ich schenke gerne meine Zeit einem neuen Erdenbürger.“

Wir waren beide in Rage und jeder in seinem Element. Moritz und ich lagen jeder bequem auf einer Liege im Herzogenriedpark, aber diskutierten voller Anspannung . Es war wunderbares Maiwetter, die Linden blüten und bunte Tulpen machten eine perfekte Kulisse. In der Ferne spielten Kinder Fußball und man hörte ihre aufgeregten Schreie. Es könnte alles wunderbar sein, wenn wir uns einig wären – dachte ich. Ja, den Sonntag hatte ich mir anders vorgestellt. Aber wir waren mal wieder bei unserem Lieblingsstreitthema angelangt: Ein Faß ohne Boden oder vielmehr eine Diskussion ohne Ende. Es gab bei diesem Thema nur JA oder NEIN, PRO oder CONTRA.
Entnervt blätterte ich in einer Klatschzeitung, die ich mitgebracht hatte. Scheidungen, Hochzeiten und wieder mein Lieblingsthema Kinder: Da waren Angelina Joli und Brad Pitt abgebildet, überglücklich, mit ihren zwei adoptierten und drei leiblichen Kindern und bei Heidi Klum wurde spekuliert, ob sie noch ein fünftes Baby mit ihrem neuen Lover bekäme. Ich seufzte tief. Die hatten es gut: Familienglück und gleichzeitig viel Geld, um gegebenfalls auch eine Nanny zu bezahlen.
Ich streckte meine Füße auf der Liege aus und schaute in die Ferne. Die Vögel zwitscherten im Park und zwei Kinder liefen mit einer Eistüte an uns vorbei. Es war schon wahr: Finanziell wäre ein Kind für uns wahrlich eine Herausforderung, aber wenn ich mich so in meiner direkten Umgebung in der Neckarstadt umschaue, gab es mit Sicherheit Familien, die mit weit weniger finanziellem Background Kinder bekamen. Und später, wenn ich älter bin, bereue ich es mit Sicherheit, dass ich kein Kind bekommen habe. Mein Blick schweifte in die Ferne. Etwa hundert Meter weiter hatte sich eine türkische Familie niedergelassen und packte langsam ihr Picknick aus. Wieder war Kindergeschrei zu hören und die Erwachsenen unterhielten sich lautstark. „Mir reichts“, sagte Moritz plötzlich. „Du und dein Kinderthema, als ob es nichts anderes gäbe“, sagte er aufgebracht. Er nahm sein Handtuch von der Liege und knuddelte e wütend in seine Tasche. „Ich habe genug jetzt, ich haue ab!“ „Dann geh halt“, sagte ich monoton.
Mir war plötzlich alles egal geworden: Die Dinge und Moritz Meinung waren so wie sie sind und ich konnte nichts ändern. Schicksal. Eine Lethargie umhüllte mich und ich sah Moritz zu, wie er sein mitgebrachtes Buch einpackte und mir ein kurzes „Tschüß dann“ entgegen warf. Ich schloß die Augen und atmete tief den Geruch des Rasens ein. Ich stellte mir vor, wie ein Baby, mein Baby, auf meinem Bauch lag und ich es liebkosen würde. Ja, ich wäre eine gute Mutter, dachte ich bei mir.
Plötzlich wurde ich jäh aus meinen Gedanken gerissen. „Hallo, schöne Frau“, sagte jemand zu mir. Ich blinzelte und vor mir stand ein Mann, der zu der türkischen Familie gehörte. „Möchten Sie uns nicht ein wenig Gesellschaft leisten?“ Ich zögerte, da ich Fremden gegenüber ersteinmal ein wenig zurückhaltend war. Dann dachte ich an Moritz und der Ärger ihm gegenüber kam wieder hoch. „Warum nicht“, sagte ich, packte meine Sachen ein und folgte dem Mann zu seiner Familie und ihrem Picknick. Ich stellte mich kurz seiner Familie vor und schaute dann neugierig auf das Essen. Da gab es Cous Cous Salat, Kartoffelsalat, gebratene Hähnchenkeulen und viele andere Leckereien. Mein Magen knurrte. „Greif zu“, sagte Achmed, so hieß der Mann, lachend. Und das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Mit großem Appetit lud ich mir einen Plastikteller voll von den Leckereien und ließ es mir schmecken. „Lange nichts mehr gegessen“, sagte Achmed und lachte erneut. Er selbst vertilgte gerade mit großem Appetit eine Hähnchenkeule. „Du aber auch nicht“, entgegnete ich und musste feststellen, dass Achmed wunderbar braun-grüne Augen hatte und nette Grübchen wenn er lachte. Viele seiner Familienmitglieder sprachen deutsch, einige auch nur türkisch. Man diskutierte in verschiedenen Sprachen und mit Händen und Füßen. Ich war überglücklich in meiner neuen Gemeinschaft und lächelte Achmed immer wieder dankbar zu. Als Aufbruchstimmung herrschte, steckte Achmed mir einen Zettel mit seiner Handynummer zu. Ich bedankte mich bei meinen neuen Freunden und umarmte Achmed zum Abschied. Schnell lief ich durch den Herzogenriedpark zum Ausgang, glücklich, dass dieser Sonntag noch so nett endete.

Ob ich Achmed wiedersehen werde, weiß ich noch nicht. Aber eins steht fest: Ich möchte auch mal eine eigene Familie haben, die einem Halt und Sicherheit gibt.

 

Von Carolin Fischer/Mannheim 

Geschichte teilen: Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Pin on PinterestEmail this to someone
Kommentare anzeigen